Ich liebe meine Kinder - und doch will ich keine Mutter sein

Ich liebe meine Kinder - und doch will ich keine Mutter sein

Letzte Aktualisierung: 14. April 2017

Es ist immer noch ein Tabu, Negatives über die Rolle als Mutter zu äußern. Trotzdem wollte die Soziologin Orna Donath Ansichten über die Mutterschaft untersuchen – jenseits der Freude über selbige. Ihre Ergebnisse veröffentlichte sie in dem Buch Regretting Motherhood: Wenn Mütter bereuen. Ihre Studie sorgte für Aufsehen, als sie in Ländern wie Deutschland oder Frankreich herauskam. Dort wird Mutterschaft geehrt und von den Einrichtungen unterstützt. Und das mit einer gewaltigen Menge institutioneller und wirtschaftlicher Hilfe.

Leider gibt es die Tendenz, eine Studie schon vor ihrem Erscheinen zu kritisieren, wenn sie sich eingehend mit dem Thema “bereuende Mütter” auseinandersetzt. Und dabei ist es nicht wichtig, wie aussagekräftig die Untersuchung dann tatsächlich ausfällt. Obwohl das Buch einen kontroversen Titel trägt, scheinen die Erfahrungsberichte darin nicht sehr kontrovers zu sein. Für die Geschichten einiger Mütter gab es einen hohen Grad an Akzeptanz und Verständnis. Geschichten, die die Erfahrung dieser Mütter erklären und in denen sich eine eine beträchtliche Anzahl anderer Mütter wiederfinden konnten.

In dieser Studie untersucht Orna Donath, wie einige Mütter ihr Mutterdasein oder Teile davon als eine negative Erfahrung erleben. Jene Mütter weisen auch auf die unerwarteten und unerwünschten Auswirkungen dieser neuen Rolle in ihrem Leben hin. Sie lieben ihre Kinder und kümmern sich um sie. Aus unterschiedlichen Gründen stellte sich jedoch das Muttersein oder das Erlebnis, ein Kind zu erziehen, für viele als unbefriedigend und frustrierend heraus.

Zum Thema Mutterschaft gibt es viele verschiedene Ansichten

Ehe man eine Frau oder ihre Erfahrung als Mutter beurteilt, sollte man zumindest interessiert erfahren wollen, was sie zu sagen hat. Und die feste Absicht haben, ihr zuzuhören. Diese Frauen sind die Hauptdarstellerinnen ihrer Lebensgeschichten. Darin wollen sie nicht als Heldinnen oder Supermütter dargestellt werden. Sie wollen einfach nur als Frauen gesehen werden, die ihre eigene Einstellung zum Leben haben.

Zum Beispiel im Fall der gefeierten französischen Schauspielerin Anémone, die im Fernsehen erklärt hatte, wie sie sich mit der kontroversen Studie identifiziert hat. Sie liebe ihre Kinder, wäre aber der Meinung, dass sie um einiges glücklicher gewesen wäre, wenn sie sich nicht dafür entschieden hätte, Mutter zu werden.

Die Schauspielerin erzählte ehrlich und aufrichtig, wie sie schon immer von der Vorstellung der Unabhängigkeit fasziniert gewesen war. Dennoch habe sie irgendwie dem Druck nachgegeben, Mutter werden zu müssen. Deshalb habe sie sich auch dazu entschieden, Kinder zu bekommen, “ohne eigentlich zu wissen, warum”.

Die Geschichten der unglücklichen Mütter

Andere anonym gebliebene Mütter erzählen, wie sie in einigen Fällen die bisher tiefste Einsamkeit erfuhren. Sie empfanden ihre Entscheidung als falsch, wenn sie erlebten, was es in Wirklichkeit heißt, ein Kind aufzuziehen. Trotz dieser Tatsache betonten die Teilnehmerinnen der Studie den Unterschied ihrer Empfindungen gegenüber ihren Kindern und der Erfahrung, Mutter zu sein. Die meisten wiesen auf ihre Liebe zu ihren Kindern hin. Und auf ihren Frust rund um die Erfahrung, sie großzuziehen.

Die Frauen sprachen von Einsamkeit und einem gewaltigen Stresspegel, da sich ihre verschiedenen Rollen nicht vereinbaren ließen. Unter anderem ihre Rollen als Frau, Mutter und Erwerbstätige. Aber sie verrieten auch persönlichere Details: Das Gefühl zu haben, einen Teil der eigenen Freiheit verloren zu haben. Oder auch, ihre Sexualität nicht mehr wie vorher zu genießen. Oder sich wie Fremde im eigenen Leben zu fühlen.

In diesen Geschichten kann man die Bitterkeit und das Misstrauen gewissen Sozialbereichen gegenüber spüren. Denn zuerst wird Mutterschaft ja gefordert, es ist fast so etwas wie ein Zwang. Später fühlen sich die Mütter allerdings bei ihrer anstrengenden Arbeit nicht unterstützt. Sie werden zu einer Art Sklave der nach allgemeiner Annahme “besten Erfahrung, die eine Frau nur machen kann”.

Mögliche Gründe für diese Ernüchterung

Diese Erfahrungen hat es sicherlich im gesamten Verlauf der Geschichte gegeben. Heutzutage sind sie in der Welt einfach sichtbarer geworden. Die Forderung nach Nachkommen, der Druck der biologischen Uhr, die riesigen sozialen und moralischen Ansprüche an die weibliche Sexualität und die hochgesteckten Erwartungen haben schon immer Frustgefühle bei vielen Frauen ausgelöst. Bei Frauen, die dem Druck entweder nachgegeben oder für sich allein entschieden haben, Mutter zu werden.

In früheren Zeiten wurde die Mutterschaft noch als ein fast mystischer Akt verherrlicht. Nun aber mischt sich diese Vorstellung mit anderen Konzepten. Eines dieser Konzepte ist die Supermama. Eine Supermama widmet sich ganz und gar dem Mutterdasein. Sie hat aber fast augenblicklich nach der Geburt wieder ihre alte Figur. Sie schafft es auch, das gleiche Leben zu führen, wie sie es tat, bevor sie Kinder hatte.

In unseren modernen Zeiten sehen wir uns mit neuen Realitäten konfrontiert. Frauen sind zum Beispiel in die Arbeitswelt eingebunden. Das feiern und verteidigen die meisten Menschen. Was zur Folge hat, dass jetzt viele Frauen die Entscheidung, sich fortzupflanzen, auf später verschieben. Auch kann man in den sozialen Medien beobachten, dass der Vorgang öffentlich gezeigt wird, so wie beispielsweise durch die “Fit Moms” über Instagram, die ihre Schwangerschaft mit dem “perfekten Body” öffentlich darstellen.

Wir sehen ständig Frauen im Rampenlicht, die auf Instagram, in Hochglanzmagazinen oder sozialen Netzwerken eine idealisierte Version der Vorgänge Schwangerschaft, Geburt, Stillen und Rückbildung vorführen. Es geht nicht darum, dass die Frauen ihr Glück in diesem Ablauf nicht zeigen dürfen. Das Problem liegt vielmehr darin, dass sie bloß einen Vorgang ohne alle Schwierigkeiten und Anforderungen zeigen.

Viele Frauen lassen sich von diesem Trugbild der Schwangerschaft und der Mutterschaft verführen. Was ihnen dabei entgeht: ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten und ihr unterstützendes Umfeld gleichen nicht dem des idealisierten Bildes.

Schluss mit der Idealisierung und her mit der wahren Hilfe

Gegenwärtig gibt es viele soziale Bewegungen, die sich für einen wahren Ausgleich in der Familie und freie Mutterschaft stark machen. Für ein Konzept, das jedoch geschützter ist und mehr soziale Akzeptanz genießt. Jede Frau hat ihre eigene Geschichte und die für sie typischen psychologischen Eigenschaften. Dies führt zu einer subjektiven und einmaligen Erfahrung des Mutterseins.

Einige mögen es bedauern und gleichzeitig ihre Kinder weiterhin lieben, andere bereuen es vielleicht nicht und sind vor Glück wie beseelt. Wieder andere – wohl die meisten – hegen widersprüchliche Gefühle. Und eine vierte Gruppe mag sich von den spezifischen Aspekten der Erziehung und dem Temperament ihrer Kinder überfordert fühlen.

In jedem Fall sollte sich jede Einzelne von der Gesellschaft unterstützt und mit der nötigen Rückendeckung versehen fühlen. Von einer Gesellschaft, die das Sozial- und Arbeitsmodell wirklich vereinen kann. Dieses leistet dann einen Beitrag, sodass eine Frau das Muttersein als befriedigend erleben kann.

Eine erschöpfte Frau wird es als ziemlich schwierig empfinden, langfristig die Bürde der Kindererziehung zu tragen. Besonders, wenn es für die häuslichen Tätigkeiten keine Aufgabenteilung gibt. Und keine Unterstützung durch die Einrichtungen. Das könnten Dinge wie Hortplätze, Teilzeit-Beschäftigungen und gerechte Löhne sein. Es geht ja nicht nur darum, dass wir eine Generation aufziehen, sondern darum, dass die jetzige Generation von Müttern diese Unterstützung braucht. Sie braucht sie, um uns zu einem weniger idealisierten Bild der Mutterschaft zu führen. Vor allem zu einem, das von der Gesellschaft deutlich mehr respektiert und unterstützt wird.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.