Die Weißer-Büffel-Frau: Eine Legende der Lakota

Die Weißer-Büffel-Frau: Eine Legende der Lakota
Valeria Sabater

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Valeria Sabater.

Letzte Aktualisierung: 09. Februar 2023

Die Lakota in den Vereinigten Staaten, die westlichste Stammesgruppe der Sioux, prophezeien, dass die Weißer-Büffel-Frau eines Tages zurückkehren werde. Diese Frau ist eine Wakan, eine Weise, die magische Kräfte besitzt. Mit diesen wird sie alle Kinder der Mutter Erde vereinen. Die Rückkehr der Wakan wird auch unser Gleichgewicht mit der Natur wiederherstellen, eine Beziehung, die zurzeit gestört ist.

Stammeslegenden indigener Völker haben etwas Faszinierendes, egal wie alt sie sind, wie viele Jahrhunderte vergangen sind oder wie wenig Verbindung wir als Individuen zu diesen ethnischen Traditionen und Kulturen haben – die jeweiligen mündlichen Überlieferungen fordern uns dennoch dazu auf, über uns und unsere Umwelt nachzudenken.

Die Legende Weißer-Büffel-Frau ist über 2000 Jahre alt. Diese Prophezeiung ist eine Ode, ein Aufruf zur Hoffnung und ein verzweifeltes Gebet der Lakota, das in ihrer aktuellen politischen Lage immer häufiger zitiert wird.

Eine Zeichnung der Weißer-Büffel-Frau

Im vergangenen Jahr, 2017, fand die Eröffnung der Dakota Access Pipeline statt. Diese dient dazu, Öl von North Dakota nach Illinois transportieren. Diese Megastruktur ist über 1800 Kilometer lang und durchquert mehrere Gebiete, wobei leider auch das garantierte Landrecht indigener Bevölkerungsgruppen verletzt wird. Es ist eine kulturelle und Umwelttragödie, die zwischen den Ölmogulen und den indigenen Völkern, die Unterstützung von Umweltgruppen wie Greenpeace erhalten, einen Krieg in Gang gesetzt hat.

Nachdem Barack Obama das Projekt am Ende seiner Amtszeit gestoppt hatte, hob der derzeitige Präsident Donald Trump den Stopp wieder auf. Die indigenen Völker setzen den Kampf fort und hoffen, dass die Weißer-Büffel-Frau ihnen helfen wird.

Die Weißer-Büffel-Frau, eine weibliche Figur der Macht

Joseph Chasing Horse verbreitet diese erstaunliche Legende. Der Botschafter der Vereinten Nationen für die Lakota Sioux-Nation lässt keine Gelegenheit aus, diese Prophezeiung zu erwähnen, die viele der indigenen Stämme Amerikas vereint.

Die Prophezeiung besagt, dass die Weißer-Büffel-Frau vor über 2000 Jahren erschien. Zu dieser Zeit herrschten große Hungersnöte, Kriege und Unruhen zwischen den verschiedenen Stämmen. Zwei junge Lakota-Soldaten zogen währenddessen mit ihren mageren Pferden durch das Land und suchten nach Wild, um es zu jagen. Plötzlich sahen sie die Gestalt einer Frau, eingehüllt in warmes Licht und glänzenden Nebel.

Die Frau wurde von einem weißen Büffel begleitet. Sie war groß, schlank und in zeremonielle Kleidung gehüllt. Sie hatte eine Feder in ihrem Haar und Salbei in ihrer Hand. Sie war unglaublich schön. Ein Soldat war so von ihr verzaubert, dass er sich ihr lustvoll näherte. Bevor er jedoch ihre Haut berühren konnte, tauchte eine große dunkle Wolke über ihm auf. Für einen Moment erstarrte der junge Mann, von einem Blitz getroffen.

Zwei Lakota sehen die Weißer-Büffel-Frau.

Der andere Soldat fiel vor Schreck auf die Knie und nahm an, dass ihn dasselbe Schicksal erwartete. Die schöne Frau fuhr sich jedoch mit der Hand durchs Haar und sprach in seiner Sprache zu ihm. Sie sagte ihm, dass sie eine Wakan sei, eine heilige Frau, die gekommen sei, um ihnen zu helfen.

Alte Traditionen in einer neuen Ära

Die Lakota empfingen die Frau herzlich und bereiteten ein Tipi für sie vor. Als die Wakan das Zelt betrat, verwandelte sich der Morgen in die Dämmerung. Alle Länder, die von Hunger und Elend betroffen waren, wurden in ein bernsteinfarbenes und rosiges Licht getaucht. Obwohl die Lakota arm waren, versuchten sie, die Frau reichlich zu bewirten. Sie gaben ihr Wurzeln, Insekten, getrocknete Kräuter und frisches Wasser.

Danach lehrte die weiße Weißer-Büffel-Frau den Lakota, wie man eine Pfeife raucht. Sie bot ihnen Tabak aus roter Weidenrinde an und ermutigte sie, von Zelt zu Zelt zu gehen. Dieses Ritual pflegte sie zur Ehre der Sonne, es schuf ein Band der Stärke und drückte Dankbarkeit aus. Später initiierte die Wakan die Lakota in einer Reihe von spirituellen Praktiken, die der Stamm nutzen konnte, um die Natur zu ehren. Die Wakan lehrte die Lakota die richtigen Worte, um zu beten und uralte Ahnenriten zu vollenden, die der Stamm mehr oder weniger vergessen hatte.

Die weise Frau lud den Stamm ein, mit ihr zu singen, um Mutter Erde zu huldigen. Sie sangen Verse und Beschwörungen, die den vier Himmelsrichtungen angeboten wurden. Die Wakan erinnerte die Indigenen daran, wie wichtig es sei, die Zeremonie der Friedenspfeife aufrechtzuerhalten. In der Zeremonie kamen Männer und Frauen zusammen, um ihre Seelen, die Gemeinschaft und ihre Vereinigung zu ehren.

Die Wakan überreicht den Lakota die Friedenspfeife.

Die Weißer-Büffel-Frau verabschiedete sich schließlich. Sie sagte den Lakota, sie würde sie beschützen, solange diese die Zeremonien ausführen und sich um ihre Umwelt kümmern würden. Bevor die Wakan ging, zog sie eine große Herde schwarzer Büffel vom Himmel. Es waren so viele Tiere, dass sie die Berge schwarz färbten und der Boden unter den Hufen der Tiere zitterte. Dieser Klang hallte durch die Welt und die Tiere sollten das Überleben der Lakota sichern.

Die heilige Frau verließ den Stamm und sagte zum Abschied: “Toksha ake wacinyanktin ktelo. Ich werde euch wiedersehen.”  Die Lakota wiederholen diese Botschaft bis zum heutigen Tag, während sie davon träumen, dass die Weißer-Büffel-Frau zurückkehrt, um die Welt zu reinigen. Sie hoffen, dass sie allen Nationen Harmonie, Ausgeglichenheit und Spiritualität bringen kann.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.