Der Madeleine-Effekt oder wie Dufterfahrungen deine Erinnerungen prägen

Vanille duftet nach angenehmen Kindheitserinnerungen und Wärme. Der charakteristische Geruch in der Zahnarztordination löst jedoch in den meisten Fällen Unbehagen aus. Erfahre heute Spannendes über den Zusammenhang von Düften und Erinnerungen.
Der Madeleine-Effekt oder wie Dufterfahrungen deine Erinnerungen prägen
Laura Ruiz Mitjana

Geschrieben und geprüft von der Psychologin Laura Ruiz Mitjana.

Letzte Aktualisierung: 03. Februar 2024

Du riechst frisches Gras oder den Regen auf dem Asphalt und plötzlich erinnerst du dich an idyllische Kindheitstage? Wir alle kennen die Macht der Düfte. Sie können Erinnerungen und Gefühle wecken und uns in die Vergangenheit zurückversetzen. Dieses Phänomen nennt sich Madeleine-Effekt oder Proust-Effekt: Ein einziger Duft ist in der Lage, ein vergangenes Ereignis wachzurufen, das positive oder negative Assoziationen auslösen kann. Lies weiter, um mehr darüber zu erfahren.

“Erinnerung und Vergessen sind wie Leben und Tod. Leben heißt sich erinnern und sich erinnern heißt leben. Sterben heißt vergessen und vergessen heißt sterben.”

Samuel Butler

Der Madeleine-Effekt

Im Jahr 1913 schrieb der französische Autor Marcel Proust sein Werk “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“. Darin erzählt er, dass sich der Protagonist durch den Geruch und Geschmack an seine Kindheit erinnert, als er ein Madeleine-Gebäck verspeist. Diese Szene gab diesem faszinierenden mnemischen Phänomen seinen Namen. Dabei werden Gerüche automatisch mit bestimmten Erfahrungen und Situationen assoziiert, die wir erneut durchleben, wenn wir dieselben oder ähnliche Aromen aufnehmen.

Vielleicht erinnerst du dich an glückliche Kindheitsmomente, wenn du frisch gebackenes Brot riechst oder den Geruch einer gemähten Wiese wahrnimmst. Krankenhausgeruch oder der Duft, der dich an eine geliebte Person erinnert, können dich hingegen traurig stimmen. Duftstoffe haben erstaunliche Wirkungen auf unser Gehirn, wobei die enge Verbindung zwischen den Geruchsregionen und dem Hippocampus, der für das Langzeitgedächtnis verantwortlich ist, eine wesentliche Rolle spielt.

Gehirn, Gedächtnis und Emotionen

Auch alle anderen Sinne, insbesondere der Sehsinn und das Gehör, spielen im Gedächtnisprozess eine grundlegende Rolle. Forschungen haben ergeben, dass das limbische System wesentlich am Madeleine-Effekt beteiligt ist. Es besteht unter anderem aus folgenden Gehirnstrukturen: Thalamus, Hypothalamus, Amygdala und Corpus Callosum.

Der Thalamus ist beispielsweise für die Sinneswahrnehmung zuständig, wobei die wahrgenommenen Reize an den Hypothalamus weitergeleitet werden. Diese Struktur spielt bei den mnesischen Prozessen eine maßgebliche Rolle, denn hier werden die Sinnesreize verarbeitet und mit Emotionen assoziiert.

Der Hippocampus ist eine Struktur des limbischen Systems, die für die Schaffung neuer Erinnerungen verantwortlich ist. Anschließend werden sie im Langzeitgedächtnis gespeichert. Zusammen mit der Amygdala ist der Hippocampus auch für die Steuerung von Emotionen zuständig. Beide Strukturen sind für emotionales Lernen und emotionsgeladene Erinnerungen zuständig, die das Verhalten und die Stimmung direkt beeinflussen.

Unsere Riechschleimhäute sind mit Riechsinneszellen ausgestattet, die Rezeptoren für rund 350 unterschiedliche Duftstoffe aufweisen.

Dufterfahrungen und Demenz

Die Erforschung der Geruchsprozesse geht über eine bloße wissenschaftliche Kuriosität hinaus: Es handelt sich um ein noch relativ unerforschtes Gebiet der Neurowissenschaften, das jedoch immer mehr Aufmerksamkeit erhält und faszinierende Prozesse enthüllt. Gerüche helfen nicht nur, Erinnerungen zu wecken. Die Fähigkeit, sie wahrzunehmen und wiederzuerkennen, steht auch in enger Beziehung zu bestimmten Krankheiten wie Demenz.

Die Untersuchung der Geruchsfähigkeit kann deshalb ein wertvolles Instrument zur Früherkennung oder Veranlagung spezifischer Krankheiten sein. Außerdem kommen sie in der Prävention und Pflege zum Einsatz. So zeigen verschiedene Studien, dass ätherische Öle die Lebensqualität von Patienten mit Alzheimer und Parkinson verbessern können, da sie sich positiv auf ihre Psyche auswirken. Dafür kommen unter anderem Lavendel, Rosmarin, Orange oder Bergamotte häufig zum Einsatz.

Eine Studie (2023) eines Forscherteams der University of California macht deutlich, dass durch das nächtliche Einatmen von Duftstoffen mithilfe eines Diffusers die kognitive Leistungsfähigkeit sowie die Lern- und Merkfähigkeit deutlich verbessert werden können. Die olfaktorische Stimulation kann außerdem helfen, verloren geglaubte Erinnerungen wieder wachzurufen.

Spezifische Düfte erwecken Erinnerungen und Emotionen, doch wie genau der Proust-Effekt funktioniert, ist noch nicht ausreichend erforscht.

Kerzen mit Weihrauch neben gelben Blumen und Rosen provozieren den Madeleine-Effekt bzw. Proust-Effekt
Der Geruch von Kerzen oder Zündhölzern erinnern viele an Weihnachten.

Der Madeleine-Effekt: eine Reise in die Vergangenheit

Der Madeleine-Effekt ist ein spannendes Phänomen, das uns in die Vergangenheit zurückversetzt, wobei es sich meistens um Situationen mit einer starken emotionalen Ladung handelt. Er hilft uns, Erinnerungen lebendig zu halten – diese können positiv oder negativ besetzt sein.

Dieses Phänomen kommt unter anderem im Marketing zum Einsatz, denn Düfte können den Verkauf steigern. Wenn du einen leckeren Faschingskrapfen riechst, erinnerst du dich an unterhaltsame Kindheitstage und bekommst Lust, dir einen zu kaufen. Beliebte Duftrichtungen, die im Unterbewusstsein die Kauflust anregen, sind beispielsweise Vanille und Pfefferminze. Düfte prägen also nicht nur deine Erinnerungen, sie sind wesentlich für das Wohlbefinden und steuern uns im Alltag.

“Gute Erinnerungen entstehen meist ohne bewusste Anstrengung. Das sind die Erinnerungen, die aus den selbstlosen Handlungen oder Verhaltensweisen resultieren, bei denen wir unsere Zeit, unsere Talente oder unsere Gaben ohne Rücksicht auf eine Gegenleistung zur Verfügung stellen.”

Byron R. Pulsifer


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