Wieder über denselben Stein stolpern

Wieder über denselben Stein stolpern
Sergio De Dios González

Geprüft und freigegeben von dem Psychologen Sergio De Dios González.

Geschrieben von Edith Sánchez

Letzte Aktualisierung: 12. Juli 2023

Manchmal fällt dir auf, dass sich bestimmte Probleme in deinem Leben auf unerklärliche Weise häufig wiederholen? Es kann sogar sein, dass dir dasselbe mit unterschiedlichen Menschen aus deinem Umfeld passiert.

“Ich lerne immer nur Männer kennen, die mich betrügen”,  sagt eine Freundin von dir. “Ich finde niemals eine Arbeit, in der man mich wertschätzt”,  sagt eine andere. “Warum nutzen mich immer alle aus?”, fragt sich wiederum jemand anderes.

“Das Leben ist eine gute Lehrerin, die dir jede Lektion, die du noch nicht verstanden hast, erneut beibringt.”

Wenn man das sieht, kann man denken, dass das Schicksal tatsächlich existiert und dass alles bereits festgeschrieben ist. Oder dass es Teil eines Karmas aus vergangenen Leben ist, so dass derjenige, der ein Gauner war, nun dafür die Konsequenzen tragen muss.

Aber es gibt noch eine andere Erklärung für diese ewige Wiederkehr zu genau den Dingen, denen du entrinnen möchtest.

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Der Zwang zur Wiederholung

Die zwanghafte Wiederholung definiert sich als ein unbewusster Impuls der Menschen, Situationen, Geschehnisse, Gefühle, Gedanken und schmerzhafte Realitäten wiederholen zu müssen.

Das erscheint zunächst nicht kohärent. Warum sollte jemand etwas Negatives wieder erleben wollen, wenn es genau darum geht, die Lektion zu lernen und nicht mehr dieselben Fehler zu begehen? Geht es im Leben nicht genau darum, das Leid zu vermeiden und das zu suchen, was uns zum Glück führt?

Die Tiere lernen aus einer einzigen Erfahrung, wir Menschen nicht. Ein Nagetier geht nicht dorthin zurück, wo einmal eine Falle war, oder wo eines seiner Artgenossen ums Leben kam. Ein Elefant kann sich für immer an das Gesicht dessen erinnern, der ihm Leid zugefügt hat. Wenn er diesem Menschen nach 50 Jahren wieder begegnet, wird er ihm aus dem Weg gehen oder ihn angreifen.

Aber der Mensch handelt anders. Er kann tausendmal auf dieselbe Art beschwindelt werden. Oder tausendmal mit derselben Spitzfindigkeit überrascht werden. Oder für immer das Opfer desselben Täters sein. Der Mensch lernt die Lektion nicht und stolpert wieder über denselben Stein.

Wir lernen auch nicht aus der Erfahrung anderer. Wir denken, dass bei uns alles anders ist. Manchmal wiederholen wir sogar wortwörtlich die Fehler, Probleme und Konflikte geliebter Menschen, ohne dass wir dies bemerken.

Wie funktioniert diese Wiederholung?

Der Mechanismus der zwanghaften Wiederholung funktioniert so: Im Leben eines Menschen entsteht ein Trauma, oft wurzelt dies in der Kindheit. Das ist so schmerzhaft, dass es in das Unbewusste absinkt und dort verschlossen wird. So vergisst man es oder man interpretiert es als etwas Normales, ohne ihm weitere Bedeutung beizumessen.

Der Eindruck dieses Traumas wird jedoch nie vergessen, sondern nur unterdrückt. Er bleibt latent bestehen und zeigt sich gelegentlich, aber nicht auf bewusste Weise.

Das Problem liegt darin, dass es nicht als Erinnerung wieder zutage tritt. Anstatt uns zu erinnern leben wir es wieder aus, wir setzen es in Szene, wie ein Schauspieler. Wir schaffen uns die Bedingungen, damit sich genau das wieder ereignen kann, was uns traumatisiert hat, mit der unbewussten Hoffnung, dass der Ausgang diesmal ein anderer sei.

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Ein Beispiel ist der Fall von Norma: Ihre Mutter verhielt sich ihr gegenüber hart und kalt. Sie hatte sexuelle Beziehungen mit anderen Männern gegen Bezahlung, hielt dies aber vor dem Vater ihrer Tochter geheim. Ihre Tochter musste immer vor der Schlafzimmertür aufpassen, dass niemand kam.

Viele Jahre später heiratet Norma einen Mann, der Kontakte zu Zuhältern hat. Sie selbst hat sexuelle Beziehungen gegen Bezahlung. Dennoch überwacht sie obsessiv ihren Mann, will alle seine Handlungen bis ins Kleinste kennen. Zudem hat sie eine Tochter, die sie selbst als unerträglich bezeichnet.

Hier sieht man, wie Norma genau das wiederholt, was sie am meisten beeindruckt und geprägt hat: Die Promiskuität, die Distanz zwischen Mutter und Tochter und ihre Rolle als Aufpasserin.

Dies ist genau die starke Wirkung von Traumata: Sie verurteilen die Opfer immer wieder dazu, in den Teufelskreis von Schmerz und Leid einzutreten.

Daher ist es sehr wichtig, psychologische oder psychoanalytische Hilfe in Anspruch zu nehmen, wenn dir dies geschieht: Wenn du ein Trauma erlitten hast (auch wenn du denkst, dass du es aus eigener Kraft überwunden hast), und wenn es etwas in deinem Leben gibt, das sich auf dramatische Weise immer wiederholt und dich immer über denselben Stein stolpern lässt.


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.