Der schreckliche Preis des Mangels an Liebe: die Geschichte von Ivan dem Schrecklichen

Der schreckliche Preis des Mangels an Liebe: die Geschichte von Ivan dem Schrecklichen

Letzte Aktualisierung: 27. April 2017

Was bringt einen Menschen dazu, einen anderen bei lebendigem Leibe zu verbrennen oder in Stücke zu schneiden? Was bringt einen Menschen zu einem solchen Maß an Brutalität und dazu, sich seiner eigenen Unmenschlichkeit noch nicht einmal bewusst zu sein – ja, sie sogar zu genießen? Ivan der Schreckliche und seine Geschichte geben uns darauf vielleicht eine Antwort.

„In dem Bestreben, eine Welt zu errichten, in die keine mögliche Bedrohung von außen durchzudringen vermag, arbeiten einige Menschen exzessiv an ihrer äußeren Verteidigung und lassen so ihr Inneres ungeschützt.“

Paulo Coelho

Die Kindheit eines Menschen wird sein gesamtes Leben prägen. Unsere ersten Erfahrungen, die Beziehungen, die wir zu den Menschen um uns haben und die Beispiele und Lehren, die wir von ihnen erhalten, hängen uns für den Rest unseres Lebens an – zum Guten oder zum Schlechten.

Aus diesem Grund ist die Liebe so wichtig. Das Sprichwort „Liebe bewegt die Welt“ kommt nicht von ungefähr. Es ist wahr, dass die Liebe und ihr Gegenspieler, der Hass, Antriebskraft für die größten Erfolge der Menschheit und gleichzeitig für die größten Gräueltaten, die in der Geschichte jemals begangen wurden, verantwortlich sind.

Heute wollen wir deswegen über ein anschauliches Beispiel dafür, wie wir durch unsere Kindheit beeinflusst werden, reden – in diesem Falle negativ beeinflusst. Dabei geht es um die Geschichte von Ivan dem Schrecklichen.

Eine schwere Kindheit

Ivan der Schreckliche hat es in einen erlesenen Kreis von historischen Figuren geschafft – und das nicht zuletzt genau wegen seines Spitznamens: der Schreckliche. Zu seiner Zeit war dieser Spitzname einfach nur eine fehlerhafte Übersetzung des russischen „der Strenge“. Sein jetziger Beiname trifft allerdings viel besser zu, wenn man sich die vielen Gräueltaten vor Augen hält, die er begangen hat.

Alles begann mit seiner Kindheit. Als Ivan gerade einmal drei Jahre alt war, verlor er seinen Vater und wurde so zum „Großen Prinzen von Moskau“. Die Macht ging auf seine Mutter über, die fünf Jahre später starb – wahrscheinlich wurde sie von den bojarischen Clans vergiftet, die immer schon im Disput mit der Obrigkeit standen.

Von da an oblag die Erziehung des jungen Ivan den Bojaren, die ihn während seiner gesamten Kindheit auf jedwede Art und Weise demütigten. Sie missbrauchten und erniedrigten ihn, schlugen ihn zum Spaß und schlossen ihn im Palast des Kreml ein, wo er praktisch ein Bettlerdasein fristete.

All das, was Ivan in seiner Kindheit erleiden musste, spiegelt sich in seiner ersten dokumentierten Gräueltat, die er im Alter von 13 Jahren beging, wider, als er einen seiner Gegner von einem Rudel Jagdhunde in Stücke reißen ließ. Aus seiner Hilflosigkeit wurde rasende Wut und aus ihr ein Gegenschlag… Und dies schien sich auszuzahlen. Ivan begann, den Respekt anderer zu erlangen.

Nach und nach formte sich sein Charakter. Die Kindheit, die er erdulden musste, die Trauer um einen Bruder, der an einer Nervenkrankheit litt, den er aber sein gesamtes Leben lang wertschätzte und letztlich der Tod seiner geliebten Frau Anastasia waren schwere Schicksalsschläge für Ivan, welche sich tief in seine Persönlichkeit einprägten.

Ein schmerzlicher Verlust und die Sehnsucht nach Kontrolle

Zwar war Ivan der Schreckliche in seinem Leben sieben Mal verheiratet gewesen, es war jedoch allein seine erste Frau, Anastasia, der wirklich sein Herz gehört hatte. Allerdings wurde sie krank und verstarb nur kurze Zeit später. In der Zeit der Krankheit konnte niemand Ivan sagen, woran sie genau litt, aber die Untersuchungen nach ihrem Tod ergaben, dass auch sie vergiftet worden war. Die Untersuchungen ihrer Knochen zeigten, dass ihr eine tödliche Dosis Quecksilber verabreicht wurde.

Durch die Erfahrung des Todes seiner Frau wurde Ivans Charakter umso mehr zum „Schrecklichen“ und in ihm entwickelte sich ein Misstrauen gegenüber allem und jedem. Seine Frau war die einzige Person gewesen, der er vertraute und ausgerechnet sie wurde ihm nun genommen.

Wir alle wissen, „dass unser Kopf unsere Taten regiert“ und trotz Ivans Bestrebungen, das Baltikum zu erobern, wurden seine Träume doch nie Wirklichkeit. Ivan fehlte es an allem, was seine Rivalen in der Stadt Nowgorod hatten. Es war ein Ort, der für seine Bildung und die guten Manieren all seiner Einwohner bekannt war – durch diese Qualitäten wurde er regelrecht berühmt.

Nowgorod hatte einen blühenden Handel und seine Händler bauten Kirchen, um Gott aufrichtig zu bitten, ihre Geschäfte noch mehr zum Blühen zu bringen. Mit Gewalt lässt sich nicht alles erreichen und immer dann, wenn sich Ivan der Schreckliche seiner Ohnmacht bewusst wurde, griff er auf genau das zurück, was er in seiner Vergangenheit bereits beobachtet, was er gelernt und was er schon damals gelebt hatte: den Einsatz von Grausamkeit. Ivan attackierte und zerstörte die Stadt, folterte, enthauptete und pfählte viele seiner Einwohner. Die heutige Forschung geht davon aus, dass bis zu 3000 Menschen seinem Zorn zum Opfer fielen.

Der blanke Horror

In all seinen Taten zeigt sich, dass Ivan der Schreckliche seine Fähigkeit zum Treffen gesunder Entscheidungen verloren hatte. Dies gipfelte in einem letzten Akt der Grausamkeit – der Ermordung seines eigenen Sohnes. Eines Tages fand Ivan seine Schwiegertochter – in seinen Augen – unangemessen gekleidet auf. Die darauffolgende wütende Konfrontation mit seinem Sohn gipfelte in einem weiteren, für Ivan so typischen Wutausbruch und er prügelte seinen Sohn zu Tode. Seinen eigenen Sohn zu töten – eine solch furchtbare Tat kann ein Mensch nur dann vollbringen, wenn sie einen Moment lang komplett von Zorn, Aggression und Hass vereinnahmt ist. Darin sind sich die Experten einig.

200 Jahre später gelang Peter dem Großen genau das, was Ivan mit Hilfe von Gewalt und Wahnsinn nicht zu tun vermochte: Er erweiterte und modernisierte Sankt Petersburg.

Und dies war nur durch Liebe möglich… Die Moral dieser Geschichte liegt auf der Hand!


Dieser Text dient nur zu Informationszwecken und ersetzt nicht die Beratung durch einen Fachmann. Bei Zweifeln konsultieren Sie Ihren Spezialisten.