Der Dunning-Kruger-Effekt: Wenn sich Menschen erheblich über- oder unterschätzen

Der Dunning-Kruger-Effekt: Wenn sich Menschen erheblich über- oder unterschätzen

Letzte Aktualisierung: 12. Februar 2022

Beim Dunning-Kruger-Effekt handelt es sich um eine kognitive Verzerrung, die man folgendermaßen beschreiben könnte: Inkompetente Menschen glauben, dass sie intelligenter seien, als sie in Wahrheit sind, und kompetente Menschen unterschätzen sich. Oder noch genauer gesagt: Unwissende Menschen sind davon überzeugt, dass sie viel wüssten, und diejenigen, die viel wissen, fühlen sich unwissend.

Dieser kuriose Effekt wurde von David Dunning und Justin Kruger, zwei nordamerikanischen Forschern der Universität von Cornell (New York, USA), entdeckt. Dunning war Professor der Psychologie und stoß eines Tages auf eine Nachricht, auf die er perplex reagierte. Es ging dabei um einen Raub, der von einem 44-jährigen Mann namens McArthur Wheeler begangen wurde. Die Nachricht besagte, dass er zwei Banken ohne Maske und am helllichten Tag überfallen habe. Innerhalb weniger Stunden wurde er gefasst.

„Das erste Anzeichen für Unwissenheit ist es, damit anzugeben, über Wissen zu verfügen.“

Baltasar Gracián

Was Dunning dabei am meisten verdutzte, war die Erklärung des Räubers zu seiner Vorgehensweise, den Diebstahl zu begehen. Er gab an, dass er keine Maske benutzt, sich aber Zitronensaft ins Gesicht geschmiert hätte, weil er sich dadurch erhoffte, dass er somit für die Sicherheitskameras unsichtbar wäre.

Wieso glaubte er nur diesen Blödsinn? Einige seiner Freunde hätten ihm diesen Trick „gezeigt“ und er habe es ausprobiert: Er verteilte den Zitronensaft in seinem Gesicht und er selbst hat daraufhin ein Foto von sich gemacht. Angeblich konnte er darauf sein Gesicht nicht erkennen. Natürlich konnte er wegen des Zitronensafts nicht sehen, dass er nicht sein Gesicht mit der Kamera fokussierte, sondern die Zimmerdecke. „Wie kann ein Mensch nur so dumm sein?“,  fragte sich David Dunning.

Das Dunning-Kruger-Experiment

Nachdem er sich lange den Kopf über das Verhalten des Diebes zerbrochen hatte, formulierte Dunning eine Frage, die ihm als Hypothese für seine spätere Forschung dienen sollte: Könnte es sein, dass ein inkompetenter Mensch sich genau wegen seiner Inkompetenz nicht bewusst ist, wie inkompetent er ist? Die Frage glich einem Zungenbrecher, dennoch ergab sie gewissermaßen einen Sinn.

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Zu diesem Zeitpunkt schlug er seinem besten Schüler, dem jungen Justin Kruger, vor, konkret zu diesem Thema zu forschen. So organisierten sie eine Gruppe Freiwilliger, um ein Experiment durchzuführen. Jeder Teilnehmer wurde gefragt, wie kompetent er sich in den folgenden drei Bereichen einschätzte: Grammatik, logische Überlegungen und Humor. Danach unterzogen sich die Probanden einem Test, um ihre reale Kompetenz in jedem einzelnen dieser Bereiche zu bewerten.

Die Ergebnisse des Experiments bestätigten die Vermutungen von Dunning und Kruger: Die Teilnehmer, die sich selbst als „sehr kompetent“ in jedem Bereich einordneten, hatten in dem Test die geringste Punktzahl. Und diejenigen, die sich entgegengesetzt dessen anfangs unterschätzt hatten, erzielten die besten Resultate.

Heutzutage treffen wir oft auf Menschen, die sichtbar autoritär auftreten, wenn sie über Themen sprechen, von denen sie nur oberflächlich eine Ahnung haben. Gleichzeitig ist es weit verbreitet, dass die wahren Experten mit ihrer Meinung hinterm Berg halten, da sie sich darüber bewusst sind, wie umfassend das Wissen ist und wie schwierig es ist, etwas mit absoluter Sicherheit zu behaupten.

Die Analyse des Dunning-Kruger-Effekts

Die Leiter dieser Studie stellten nicht nur fest, dass diese kognitive Verzerrung existiert, sondern auch, dass die inkompetentesten Menschen dazu neigen, die kompetentesten zu unterschätzen. Aus diesem Grund gaben sie sich sicherer und fühlten sich weitaus überlegener, und das trotz ihrer Unwissenheit, oder vielleicht genau deswegen.

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Nach Abschluss des Experiments kamen die Forscher zu vier Schlussfolgerungen, die den Dunning-Kruger-Effekt auszeichneten:

  • Davon betroffene Menschen zeigen sich unfähig, ihre eigene Inkompetenz anzuerkennen.
  • Sie neigen dazu, die Kompetenz anderer nicht anerkennen zu können.
  • Sie sind nicht dazu in der Lage, sich darüber bewusst zu werden, inwiefern sie in einem bestimmten Bereich inkompetent sind.
  • Wenn sie daran arbeiten, ihre Kompetenz zu steigern, sind sie auch dazu fähig, ihre vorherige Inkompetenz anzuerkennen und zu akzeptieren.

Auch wenn die Auswirkungen dieser Störung bei betroffenen Personen geklärt sind, bleibt immer noch die Antwort auf die Frage offen, woher dieses Phänomen kommt. Dunning und Kruger gingen davon aus, dass die kognitive Verzerrung entstünde, weil die notwendigen Kompetenzen, um etwas Gutes zu tun, die gleichen seien, die benötigt werden, um die Leistung zu bewerten. Anders gesagt heißt das: Wie soll ein Mensch merken, dass er etwas schlecht macht, wenn er nicht einmal weiß, wir er diese Sache gut machen kann?

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Auch Menschen mit einer hohen Leistungsfähigkeit wiesen diese kognitive Verzerrung auf. In diesem Fall stellten die Forscher fest, dass das, was sich zeigte, ein Wahrnehmungsfehler war, der als „falscher Konsensus-Effekt“ bekannt ist. Dieser Fehler besagt, dass wir Menschen dazu neigen, uns in Bezug auf andere zu überschätzen.

Sicherlich hast auch du schon einmal dieses Szenario erlebt, bei dem sich zwei Menschen in einer Diskussion nicht einigen konnten. Um dieses Problem zu lösen, entschlossen sie sich dann dazu, eine dritte, unabhängige Person nach ihrer Meinung zu fragen, die von beiden als neutraler Part angesehen wurde. Sie sollte die Rolle des Schlichters einnehmen. Hier besteht der falsche Konsensus-Effekt in der Tatsache, dass beide Seiten davon überzeugt sind, dass der unbeteiligte Beobachter ihre Meinung vertreten wird.

Etwas Ähnliches passiert bei Menschen, die sich bei einer Aktivität sehr anstrengen, sodass es für sie so einfach ist, diese Tätigkeit auszuüben, dass sie keinen Grund sehen, darüber nachzudenken, dass die Mehrheit sie genauso gut ausführen könnte wie sie.

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